Neurobiologie der PTBS im Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung
Bering ordnet die neurobiologischen Vorgänge im Zusammenhang mit Traumatisierungen vier Ebenen zu (Behring, 2005, S. 52 ff.):


I.      Kortikale Verarbeitung
II.     Subkortikale Verarbeitung
III.    Regulation der Stressachse
IV.    Botenstoffsysteme (Katecholamine, Kortisol, Opiate)

Broca

In Erweiterung des Bering`schen Modells finden sich in dieser Darstellung die Basalganglien und ein motorischer Hirnstammkern (Ncl. tegmentalis pedunculopontinus), durch welche die von Bering (2005) benannte „Einbettung in das motorische System“ ein morpholgisches Substrat erhält.
Dieses Vier-Ebenen-Modell setzt Bering in Bezug zum Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung nach Fischer und Riedesser (2003). Danach kommt es in der akuten traumatischen Situation zu folgenden neurobiologischen Veränderungen:

I./II.    Bereitstellungsreaktion (Kampf/Flucht/Erstarrung)

III.       Erhöhte Ausschüttung von CRF, ACTH (Hypophyse), Opiaten (ZNS) und  Kortisol             (Nebennierenrinde)

IV.        Überflutung mit Neutrotransmittern, -peptiden und Stresshormonen: Aktivierung              der Botenstoffsysteme Katecholamine, Kortisol, Opiate

Die erhöhte Kortisolausschüttung dient zwar als Filter, um die Wahrnehmungsschwelle zu erhöhen und so die Übersteuerung durch emotionale Sinneseindrücke zu vermeiden. Doch kommt es durch die Überflutung mit Neurotransmittern zu Wahrnehmungsverzerrungen (Dissoziationen), mangelnde Einordnung von Wahrnehmungen und einer möglichen Entkoppelung des expliziten und des impliziten Gedächtnisses. Daher werden in der traumatischen Übererregung nur einzelne Zustandsbilder mit isolierten Sinneseindrücken gespeichert, d. h. es liegen nur fragmentarische Erinnerungen vor.
Die Einflüsse der beschriebenen Veränderungen zeigen sich im langfristigen traumatischen Prozess als physiologische Fixierungen:

I./II.      Gestörte zentralnervöse Informationsverarbeitung, mangelnde
             Kontextualisierung von traumatischen Erinnerungen, Supression des
             motorischen Sprachzentrums (Broca-Areal) und der orbitofrontalen Region

III.        Dysregulation der Stressachse =>

IV.        Hypokortisolismus, erhöhter CRF-Spiegel, z. T. erhöhter Noradrenalinspiegel

Das Zusammenspiel dieser Faktoren ergibt eine „neuro-kognitive Repräsentanz des Traumaschemas, die physiologisch verankert ist.“ Die gestörte Informationsverarbeitung im ZNS begründet nach heutiger Erkenntnis die Löschungsresistenz des TS, Intrusionen (Flashbacks) und die fehlende räumliche und zeitlichen Integration des traumatischen Ereignisses. Die Unteraktivität der Broca-Region erklärt die mangelnde Verbalisierungsfähigkeit der Patienten bezüglich der Traumatisierung.
Durch die Konvergenz dieser neurologischen Studienergebnisse mit den Erkenntnissen aus der Traumatherapie kann das Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung nach dem Kriterium der Triangulation als abgesichert gelten (vgl. Bering, 2005, S. 354 ff.).

Folgende Tabelle zeigt noch einmal eine Übersicht der wichtigsten Konvergenzen (vgl. Fischer, 2007):

  Psychische Phänomene

  Neurobiologische Beobachtungen

  Intrusion fragmentierter Bilder

  Hyperaktiver Mandelkern bei unteraktivem   Hippokampus

  Versagen der Sprache

  Brocasuppression

  Physiologische Übererregbarkeit

  Überhöhung der Katecholamine
  Fehlende Hemmung des Locus caeruleus durch   Kortisol

  Verleugnung, Vermeidung

  Verminderung der exekutiven   Aufmerksamkeitsfunktionen im präfrontalen Cortex

  Amnesie

  C.P., Hippocampus

  Generalisierte Gedächtnisstörung

  Hippocampus und Opiate

  Dissoziative Mechanismen

  Fluktuierend erhöhte Opiate?

  Senso-motorische Erinnerungsmuster

  Speicherung über Basalganglien

 

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