Therapie-Prinzipien

  Prinzip 1

  Qualitätsmanagement durch kausale Psychotherapie

  Qualitätsmanagement in der Psychotherapie verlangt eine kontinuierliche   Verbesserung der Intervention. Die Qualität des Ergebnisses ist an der Zielvorgabe   einer kausalen, nicht nur symptomatischen Behandlung zu messen. Durch die   begleitende Arbeit mit dem Software-Dokumentationssystem KÖDOPS wird im   vorliegenden Handbuch die Prozessqualität gesichert. In Aus- und Weiterbildung kann   durch systematische Didaktik, die das Manual ermöglicht, und durch den Einsatz von   KÖDOPS die Strukturqualität gefördert werden.

  Prinzip 2

  Die zwei Beine der Psychotherapie

  Empirie ohne Philosophie (Theorie) ist blind, Philosophie ohne Empirie kann sich leicht   verirren.

  Prinzip 3

  Symptombildung als falsche Synthesis

  Anstelle des vertikalen Stufenübergangs entsteht im Schwerpunkt des vektoriellen   Kraftfeldes die horizontale „Synthese" nicht vermittelter und auf der gleichen logischen   Ebene auch gar nicht vermittelbarer Gegensätze, die nach den Konfliktformaten von   KÖDOPS der Symptombildung entspricht. Statt dialektischer Aufhebung entsteht jene   „falsche Synthesis ; die einer „positiven Dialektik" von These, Antithese und Synthese   entspricht. Da Merken von Merken und Wirken ausgeschlossen ist, verwandelt sich die   Tendenz zur aktiven Reproduktion, die sensomotorischen Schemata im allgemeinen zu   eigen ist, in den „passiven Wiederholungszwang"- In die Reproduktion von Schemata,   die ihren Selbstbezug und damit zugleich den Status bewusster Aktivität verloren   haben.

  Prinzip 4

 Phänomenologisches Vorgehen in psychodynamischer und psychoanalytischer Therapie

  Das phänomenologische Prinzip im psychodynamischen Paradigma äußert sich   technisch im Ausgang vom bewusstseinsfähigen Anteil der Persönlichkeit sowie im   Respekt vor Widerstand und Abwehr. Ein „tiefenpsychologisches" Vorgehen ist   methodisch und technisch immer vermittelt durch Rücksicht auf das bewussseinsfähige   Ich und dessen Widerstand gegen Veränderung. Ein direkter Zugang zu dynamisch   unbewussten Phänomenen fällt in Suggestion zurück und verlässt das   psychodynamische Paradigma.

  Prinzip 5

 Nicht-suggestive Epistemologie von PdP und DPa

  Die therapeutische Intervention in PdP und dialektischer Psyhoanalyse folgt einer   nicht-suggestiven Epistemologie und Prozessgestaltung. Ausgehend von der   phänomenologischen Ebene, über die Hermeneutik der Abwehr- und   Widerstandsanalyse erreicht die Therapie den dialektischen Aspekt therapeutischer   Veränderung.

  Prinzip 6

  Prozessorientierte vs. fokussierte Therapieführung in PdP und DPa

  PdP und dialektische Psychoanalyse werden in einer mehr offenen,   prozessorientierten Variante und einer stärker strukturierten und fokussierten   Variante durchgeführt. Die fokussierten Formen haben einen phasenspezifischen   Verlauf mit Anfangs-, Mittel- und Endphase und entsprechen zugleich einer der   ätiologiespezifischen Varianten. Die offenen Formen folgen der immanenten,   dialektischen Logik, die sich aus Dekonstruktion, Konstruktion und Rekonstruktion der   wichtigsten Konflikt- und/oder Traumathemen ergibt. Im Gegensatz zum Phasenverlauf   setzt sich der offene Prozess aus themenspezifischen Veränderungsschritten oder   „Veränderungszyklen " im Sinne des ADVM zusammen. Auch in der offenen   Therapieführung sind einige phasenspezifische Regeln zu beachten. Leitschnur der   Prozessvarianten bildet die Dekonstruktions- und Konstruktionslogik der Konflikt- bzw.   Traumathemen.

  Prinzip 7

 Wirkungsweise der Basalen Interventionslinie in der PdP

  Die Logik der BIL liegt darin, die Abwehrmechanismen über sich hinaus zuführen. Wer   verdrängt, wird ermutigt, besser zu verdrängen. Am besten verdrängt, wer sich   erinnert, weil er das Verdrängte so am besten kontrollieren kann. Wer dissoziiert, wird   darin unterstützt, wirksamer zu dissoziieren. Am wirksamsten dissoziiert, wer   assoziiert.

  Prinzip 8

  Wirkungsweise der Basalen Interventionslinie in der PdP

  Eine entwicklungsorientierte, dialektische Intervention erfolgt von der gegenüber den   pathologischen Phänomenen (Stufe N) nächst höheren Stufe der kognitiven und   emotionalen Entwicklung aus (von Stufe N+1). Interventionen auf gleicher Stufe   hingegen führen zu Paradoxien und können die Pathologie verstärken. Die   Intervention spitzt die dem pathologischen System immanenten Widersprüche zu, um   mit dem Übergang zur höheren Stufe die autonome, dialektische Selbstregulation   wiederherzustellen. Idealerweise pendelt die Intervention zwischen den Stufen N und   N+ 1 und verwirklicht darin die „optimale Differenz" von Schema und neuer   Beziehungserfahrung. Eine Intervention auf Stufe N +2 läuft Gefahr, die dynamisch   brisanten Konstellationen zu verfehlen und einen abgespaltenen, evtl.   intellektualisierenden Umgang mit ihnen zu fördern.

  Prinzip 9

  Kausale Psychotherapie und dialektische Logik

  Dann und nur dann, wenn die aufgespaltene Polarität der therapeutischen   Ausgangslage über die wichtigsten Konflikt- und/oder Traumathemen hinweg in eine   stabile Konstruktion überführt wurde, liegt ein Ergebnis vor, das als erfolgreich im   Sinne einer kausalen Psychotherapie bezeichnet werden kann.

  Prinzip 10

  Dialektische Intervention

  Philosophiegeschichtlich ähneln dialektische Interventionen der „aporetischen" (von   altgr. aporia = Ausweglosigkeit) Methode des Sokrates, der seine Gesprächspartner in   eine Sackgasse führt, aus der es zunächst keinen Ausweg zu geben scheint. Der   Ausweg besteht jedoch in einem Um- und Weiterdenken, das mit der Wendung „ich   weiß, dass ich nichts weiß“; mit der bestimmten Negation des bisherigen Wissens   beginnt. Sokrates' Formulierung hat deutliche Ähnlichkeit mit den dialektischen   Formulierungen, mit denen sich die konstruktiven Lösungen nach dem ADVM ergeben,   wie „ich habe gemerkt, dass ich gehen kann, also kann ich bleiben" : Oder: „Ich habe   gemerkt, dass ich hassen kann (darf), also kann ich lieben": Dialektische   Interventionen regen solche Konstruktionen an und nehmen sie insofern vorweg, als   sie von einer Meta-Stufe aus den Mangel, den inneren Widerspruch der   gegenständlichen Stufe aufzeigen. Sie leiten einen autonomen Entwicklungsprozess   ein, finden im Rahmen von EOIS statt und unterscheiden sich insofern auch von der   psychoedukativen Methodik des sog. „Sokratischen Dialogs" im Rahmen von TOIS, die   auf einer argumentativen Rhetorik beruht.

  Prinzip 11

  Umgang mit dem inneren Kind

  „Vielleicht haben Sie jetzt ein Gefühl dafür bekommen, dass ein anderer Umgang mit   dem Kind, das Sie einmal waren, möglich ist. Vielleicht spüren Sie auch den Wunsch,   dieses Kind endlich akzeptieren und liebhaben zu können. Vielleicht bemerken Sie aber   auch, wie weit Sie davon augenblicklich noch entfernt sind. Was könnten Sie tun, um   diese Kluft zu überbrücken? Was würde das Kind dem Erwachsenen mitteilen wollen,   was der Erwachsene dem Kind?"

  Prinzip 12

  Aufbau und Geltungsbereich der therapeutischen Regeln in diesem Manual

  Die Regeln der Kausalen Psychotherapie bauen aufeinander auf. Sie folgen im   Wesentlichen dem Aufbau des Buches. Die bisher entwickelten Regeln gelten für alle   weiteren Abschnitte. Die Regel der psychotraumatischen Ätiologie, die ein Modell der   Therapieführung bildet, gelten auch für die übrigen Ätiologien, soweit sie dort nicht   näher spezifiziert und/oder abgewandelt werden.

  Prinzip 13

  Situationsanalyse als Bestandteil der MPTT

  In der MPTT ist die Situationsanalyse Bestandteil der Therapie. Dem liegt die Annahme   zugrunde, dass Traumaüberlebende ihre persönliche Erfahrung nur vor dem   Hintergrund der traumatischen Situation verstehen können, nicht jedoch allein   „introspektiv”. Vor allem in der Phase des Durcharbeitens werden ggf. die   Täterstrategien aufgedeckt und besprochen. Da mehrere Situationsfaktoren oder   Paradigmen bei einem einzelnen Überlebenden zusammentreffen können, gehört die   Analyse und Zusammenstellung der Situationsfaktoren zum Therapieplan und dient als   heuristisches Schema für das Verständnis von traumatischer Reaktion und   traumatischem Prozess. In einer idealen Therapie können alle Situationsfaktoren   durchgearbeitet werden. Dokumentiert werden diese Aspekte über KF C 3.1.

  Prinzip 14

  Pathodynamik der Symptombildung beim Trauma

  Die MPTT versteht Symptome u. a. als Kontrollversuch im Rahmen eines minimalen   kontrollierten Handlungs- oder Ausdrucksfeldes und von daher als sinnvolle   Notfallreaktion und Selbstrettungsversuch der Persönlichkeit im Rahmen ihrer   individuellen Möglichkeiten. Die Therapie ist daher nicht primär auf   Symptombeseitigung gerichtet, sondern auf Erweiterung des kontrollierbaren   Ausdrucks- oder Handlungsfeldes (Ich-Erweiterung). Soweit dies gelingt, werden die   Symptome dialektisch „aufgehoben“.

  Prinzip 15

  Trauma und Persönlichkeitsstil

  Der prätraumatische Persönlichkeitsstil stellt eine „Moderatorvariable” dar, die in   Therapieplanung und therapeutischer Technik korrektiv berücksichtigt werden muss.

  Prinzip 16

 Therapeutische Haltung gegenüber der biphasischen Traumareaktion

  Gegenüber der Wiederholungs- wie auch der Vermeidungstendenz bezieht der   Therapeut eine „Meta-Position”, wobei er an der Differenzierung der Abwehr, am   traumakompensatorischen Schema arbeitet und dessen progressive Tendenzen     fördert.

  Prinzip 17

  Verlaufsmodell der MPTT

  Die MPTT orientiert sich an einem Verlaufsmodell der therapeutischen   Traumaverarbeitung mit Anfangs-, Mittel- und Endphase. Die Anfangsphase ist   gekennzeichnet durch Erzählen und Anhören der traumatischen Erfahrung und dient   dem Aufbau bzw. der Festigung des Arbeitsbündnisses. Der Mittelteil zielt ab auf die   Erweiterung des Ausdrucks- und Handlungsfeldes und kann von diesem konstruktiven   Schritt aus zu einer vertieften Rekonstruktion der traumatischen Erfahrung genutzt   werden. Der Übergang von der Mittel- zur Abschlussphase ist gekennzeichnet durch   einen „Konstruktionsschritt” im Sinne des Dialektischen Veränderungsmodells, der es   erlaubt, die traumatische Erfahrung in den Kontext der Lebensgeschichte zu   integrieren. Dieser kann sehr unterschiedliche Formen annehmen. Die Abschlussphase   dient der Trennungsarbeit, dem Abschied und der Planung der postinterventorischen   Phase einschließlich Katamnese sowie Überlegungen zu möglicher weiterer   Behandlung.

  Prinzip 18

  Anschluss an den natürlichen Traumaverlauf

  Die MPTT schließt sich eng an den natürlichen Verlaufsprozess an, fördert die   vorhandene Bewältigungskapazität und arbeitet Hindernissen der natürlichen   Vollendungstendenz gezielt entgegen. Der biphasische Prozess der Traumareaktion   wird dadurch in Gang gehalten, dass für die Intrusionsphasen Techniken der   Beruhigung, Distanzierung und „Dosierung” vermittelt werden und die   Numbing- Phasen durch vorsichtige Techniken der Abwehrdeutung verkürzt oder   gemildert werden. Die Deutungsstrategie wird zu Therapiebeginn im Rahmen einer   basalen Interventionslinie festgelegt, in die gegebenenfalls auch praktische Übungen   integriert werden.

  Prinzip 19

  Therapeutischer Umgang mit Polytraumatisierung

  Die MPTT fokussiert auf die (nächst zurückliegende) traumatische Situation und die   traumatische Erfahrung. Ein Bezug zur prätraumatischen Lebensgeschichte der Klientin   oder gar zu früherer Traumatisierung wird nicht hergestellt, da diese Vorgehen   ungewollt die Schuldzuschreibung der Klientin an sich selbst verstärken kann (”Es ist   so gekommen, weil ich schon früher immer ... ”). Auf lebensgeschichtliche   Vorerfahrungen geht die Therapeutin nur ein, wenn die Klientin von sich aus einen   Bezug dazu herstellt. Aber auch hier wird dieser Zusammenhang auf die aktuelle   traumatische Erfahrung fokussiert und dazu genutzt, das Zentrale Traumatische   Situationsthema  (ZTST) verständlich zu machen (”Weil Sie früher schon einmal so   etwas erlebt haben, hatten Sie das Gefühl, es kommt dieses mal wieder genauso...”).

  Prinzip 20

  Verständnis von und Umgang mit Übertragungsphänomenen in der MPTT

  Diese werden als Versuch des Patienten verstanden, die durch die traumatische   Erfahrung abgebrochene soziale Bindung wieder aufzubauen, z. B. wieder Vertrauen   zu gewinnen. Übertragungstests dienen der Prüfung, ob der Therapeut dieses   Vertrauen verdient, ob er z. B. fähig ist, Misstrauen auszuhalten. Die   Übertragungsphänomene werden normalerweise nur dann gedeutet, wenn sie dem   Aufbau des Arbeitsbündnisses direkt entgegenwirken. Ansonsten nutzt der Therapeut   sein Verständnis von Übertragung und Gegenübertragung dazu, vor allem solche   Erinnerungen an die traumatische Situation zu verstehen, die der Patient ihm noch   nicht verbal, sondern nur enaktiv und ikonisch, also auf der Ebene von   Übertragungsinszenierungen und bildhaften Erinnerungsfragmenten mitteilen kann.



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