Die Psychoanalyse beschreibt zahlreiche Erkenntnisse über die Entwicklung psychischer Phänomene, die menschliche Persönlichkeit, Prozesse, die zu klinischen Störungen führen und nicht zuletzt über die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt und Kultur.

psychodynamik

Zentrale Begriffe
Sowohl als Theorie wie auch als Behandlungsmethode befindet sich die Psychoanalyse in einem stetigen Entwicklungs- und Wandlungsprozess. Einige zentrale Begriffe bilden dabei gleichsam den Kern eines umfassenden Theoriegebäudes.

 

Die Metapsychologie der Psychoanalyse
Die Metapsychologie der Psychoanalyse beinhaltet die Summe der theoretischen psychoanalytischen Vorstellungen und bildet damit „die höchste Ebene psychoanalytischer Theorienbildung“ (Mertens, 2005, S. 26). Längst kann nicht mehr von der Psychoanalyse die Rede sein, da sie seit ihrer Gründung durch Sigmund Freud (1856-1939) viele Entwicklungen und Differenzierungen erfahren hat, die zu verschiedenen Menschenbildern innerhalb der Psychoanalyse führten.
Freud selbst ging von drei metatheoretischen Aspekten aus, und zwar dem

  • dynamischen,
  • ökonomischen und dem
  • topischen/topografischen.

Der dynamische Aspekt besagt, dass neben der kognitiven Organisation alles Verhalten letztlich triebbestimmt ist, wobei Freud den Triebbegriff an der Grenze von Physischem und Psychischem verstand. Dieses ursprüngliche Konzept muss mittlerweile revidiert werden. Erstens fehlt ihm die Berücksichtigung des wichtigen sozialen Beziehungskontextes (vor allem während der Entwicklung). Zweitens werden heute mehrere Motivationssysteme angenommen, während Freud nur den Aggressions- und den Lusttrieb postulierte. Drittens verlangt damit auch das Emotionskonzept nach Weiterentwicklung: Heute gilt die Existenz von ca. sieben universalen, d. h. sozialisationsunabhängigen Primäremotionen (Freude, Trauer, Furcht, Ärger, Ekel, Überraschung und vermutlich auch Verachtung) als belegt – entsprechende Gesichtsausdrücke lassen sich kulturübergreifend nachweisen.

Den ökonomischen Aspekt hatte Freud in Anlehnung an das physikalische Prinzip der Mechanik und Hydraulik konzipiert. Demnach muss Trieb- und Affektenergie im Sinne eines Dampfkesselmodells abreagiert werden. Vor allem auf diese Vorstellung gründet sich die –  berechtigte – Kritik eines allzu mechanistischen Menschenbildes, das daher von späteren Psychoanalytikern revidiert wurde. Trotzdem ist die Bedeutung von psychischer und emotionaler Intensität ein sinnvolles Konzept und der Begriff der Energie sogar in den heutigen kognitiven Wissenschaften durchaus präsent. Darüber hinaus kann der Energiebegriff häufig im Sinne eines Informationsaustauschs verstanden werden. Entsprechend kann man beispielsweise von einer Informationsüberflutung sprechen.

Der topografische Aspektder Freudschen Metatheorie beinhaltet, dass verschiedene Systeme der Psyche existieren. Freud unterschied zunächst das Unbewusste, das Vorbewusste (als nur vorübergehend dem Bewusstsein entzogen) und das Bewusste. In
der zweiten Fassung seiner topografischen Konzeption entwickelte er das Strukturmodell mit Es, Ich und Über-Ich. Daher wird in diesem Zusammenhang auch vom strukturellen Aspekt der Metatheorie gesprochen.
Diese klassische Metatheorie der Psychoanalyse wurde nach Freud überarbeitet und ergänzt. Wichtig sind hier der Aspekt der Anpassung, der die Wechselwirkung zwischen innerer und äußerer Realität beschreibt und der genetische Aspekt. Letzterer beschreibt die Entstehung und Entwicklung psychischer Phänomene. Die Psychoanalyse spricht dabei frühkindlichen Erfahrungen und der Bedeutung primärer Bezugspersonen einen hohen Stellenwert zu. Dazu wurden verschiedene psychoanalytische Entwicklungstheorien konzipiert, die sich jedoch nicht vereinheitlichen lassen. Exemplarisch wird unten die psychosexuelle Entwicklung nach Freud beschrieben.

 

Das Strukturmodell
Das Strukturmodell der Psyche umfasst drei Instanzen, die als Funktionssysteme zu verstehen sind. Sie zeigen den Menschen als Wesen, das von Konflikten bestimmt ist.

  • Es: Das Es bildet den Bereich des Unbewussten, der Wünsche und Triebe.
  • Ich: Das Ich vermittelt zwischen Es und Über-Ich, aber auch zwischen diesen Instanzen und der Außenwelt; es sorgt also für die Realitätsbewältigung. Zu den Ich-Funktionen gehören weiterhin Wahrnehmen, Erinnern, Denken, Planen und Lernen. Das Ich ist Träger des bewussten Erlebens, besitzt aber auch unbewusste Anteile. So ist z. B. die Verdrängung ein elementarer Abwehrmechanismus des Ich, mit dem das Ich die Triebbedürfnisse des Es unbewusst unterdrückt. Abwehr kann man allgemein als Ablehnung von Erfahrungen verstehen, die Unlustempfinden auslösen, speziell von solchen, die auf Grund innerpsychischer Konflikte entstehen (vgl. Bittner, 1998, S. 180 ff.). Während die Triebpsychologie von Mechanismen der Abwehr ausging, versteht man Abwehr heute eher als aktive Anpassungshandlungen des Organismus. Zudem sind Handlungen und damit die Abwehr immer multifunktional zu begreifen. Streng genommen existieren sie sogar nur im Nachhinein als interpretative Konstruktion. Die Triebpsychologie betrachtete ursprünglich nur den Inhalt der Abwehr. Demgegenüber sehen modernere Ansätze die Abwehr stärker in ihrer Funktion, vor allem für das Selbstwertgefühl und die Aufrechterhaltung eines konsistenten Selbstkonzeptes.
  • Über-Ich: Das Über-Ich ist die Instanz des Gewissens und der Moral, denn sie enthält die von Eltern u. a. übernommenen gesellschaftlichen Normen, Regeln und Werte. Das Über-Ich sorgt für Einstellungen und Verhaltensweisen, die damit konform sind (Ich-Ideal) und veranlasst deshalb das Ich, „unpassende“ Es-Impulse zu verdrängen.

 

Die psychosexuelle Entwicklung nach Freud
Die Psychoanalyse nach Freud betont die Bedeutung der infantilen Sexualität im Rahmen der kindlichen Entwicklung. Sie verläuft in den folgenden Phasen, die jeweils an die Dominanz einer erogenen Zone gebunden sind

Orale Phase (bis 2. Jahr)
Von Geburt an prägt der Mund als erste erogene Zone die seelische Entwicklung des Kindes. Saugen, Lutschen, Beißen usw. bilden den Lustgewinn aus dieser Zone.

Anale Phase (2.-3. Jahr)
Der After tritt als zweite erogene Zone in Erscheinung; Lustgefühle entstehen beim Ausscheiden und beim Zurückhalten der Exkremente. Die Reinlichkeitserziehung kann – je nach Kultur – in Konflikt zu diesem Bestreben stehen und zur Ausbildung des so genannten Analcharakters führen. Er ist u. a. gekennzeichnet durch Geiz, Eigensinn, Pedanterie und zwanghaftes Verhalten.

Phallisch-Ödipale Phase (3.-5. Jahr)
Im Rahmen der Erforschung des eigenen Körpers treten jetzt die Genitalorgane ins Zentrum der kindlichen Aufmerksamkeit und Lustbefriedigung. Wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung ist in dieser Phase außerdem die Bewältigung des Ödipus-Komplexes. In Anlehnung an die griechische Mythologie (König Ödipus heiratete ahnungslos die eigene Mutter und erschlug den Vater) ist damit das Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils gemeint. Damit entsteht Konkurrenzdenken und Feindseligkeit gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Da das Kind den Forderungen des Geschlechtstriebes nicht nachkommen kann und zudem Strafe fürchtet, verdrängt es seine Triebwünsche, indem es sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil identifiziert (Rollenübernahme). Durch die Verdrängung überwindet das Kind den Ödipus-Komplex.

Latenzzeit (5.-12. Jahr)
Sexuelle Energie wird in neue Interessen verwandelt: Befriedigung erlangt das Kind vor allem durch die Entwicklung von Fähigkeiten, Umwelterkundung und vermehrte soziale Beziehungen. Das Kind kann Lustbefriedigung aufschieben oder darauf verzichten (Aufbau einer Abwehr gegen die Sexualität).

Genitale Phase (ab 12 Jahren)
Mit Beginn der Pubertät  und der entsprechenden Hormonproduktion gewinnt Sexualität wieder neue Bedeutung. Allerdings ist sie jetzt nicht mehr auf sich selbst bzw. das familiäre Umfeld bezogen, vielmehr entwickelt sich Interesse für potenzielle Sexualpartner. Über bloße Lustbe-friedigung hinaus werden soziale Interaktion und Fortpflanzung als Funktionen einer nun reifen Sexualität wichtig.

 

Das Unbewusste
Die Annahme eines Unbewussten, welches das Verhalten des Menschen stark bestimmt, gehört zu den Kernvorstellungen der Psychoanalyse.
„Als dynamisch unbewusst bezeichnen wir seit Freud Wünsche, psychische Tendenzen und/oder Handlungsimpulse, die durch Abwehrmechanismen vom Bewusstsein ferngehalten werden und, unter Umgehung des Bewusstseins, im Verhalten und Erleben wirksam werden“ (Fischer, 2005, S. 9).
                                                   
Das dynamische Unbewusste enthält demnach die verdrängten (Trieb)Wünsche. Nach Freuds Strukturmodell wird das Unbewusste vor allem dem Es zugeschrieben, jedoch besitzen auch Ich und Über-Ich unbewusste und vorbewusste Anteile. „Unbewusst“ ist daher eher als Eigenschaft zu verstehen, die auf verschiedene Aspekte des psychischen Systems angewandt werden kann (Bittner, 2001, S. 184 ff.).

Das Unbewusste beeinflusst Bewusstsein und Handeln auf unterschiedlichen Wegen: So sendet es spontane Vorstellungen, Wünsche, Gedanken und Pläne aus, die das Ich dann meist sich selbst zuschreibt. Andererseits wirken unbewusste Prozesse bei Handlungsplanung, Handlungsauswahl und Handlungsaktivierung mit.  Etwa wenn vor Beginn einer Handlung über die Basalganglien ein Handlungsplan akzeptiert wird, abhängig davon, ob er im Vergleich mit früheren Erfahrungen und im Situationskontext als angemessen beurteilt wird (vgl. Roth, 2006).

Vom dynamisch Unbewussten unterscheidet  Fischer (2007) das kognitiv Unbewusste . Dabei handelt es sich um ein unbewusstes Wissen, von dem wir nicht wissen, dass es vorhanden ist, weil wir es aus bestimmten Gründen gar nicht wissen wollen. Die Abwehr besteht also in unterbrochener (Selbst)Reflexion, die z. B. auf Angst vor Änderungen beruht. Das Zentrum dieses kognitiv unbewussten Wissens ist der unbewusste Begriff, der ebenfalls auf Freud zurückgeht. Der Ausdruck fällt sofort durch seine Spannung auf zwischen dem Unbewussten einerseits und dem Begriff andererseits, der meist als bewusste kognitive Struktur verstanden wird. Der unbewusste Begriff lässt sich auch als „das noch nicht oder nicht mehr Begriffene“ (Fischer, 2007) interpretieren. Hier ist es notwendig, einen dialektischen Übergang vom Unbewussten zum Selbstbewussten zu schaffen. In der kausalen Psychotherapie geschieht dies mittels der Negation der Negation, die sich im therapeutischen Prozess von der Ausgangsstufe (Negation) über eine Übergangsphase (Dekonstruktion) entwickelt, die mit der Negation der Negation zur neuen Konstruktion auf der Metaebene führt.

 

Psychoanalytische Methode
Die therapeutische Beziehung – Übertragung und Gegenübertragung
In der therapeutischen Praxis der Psychoanalyse spielt die Beziehung von Patient und Therapeut eine zentrale Rolle. Psychoanalytiker arbeiten dabei gezielt mit Übertragungsphänomenen, anhand derer sich der Erkenntnisprozess beim Patienten vollziehen kann (vgl. für eine ausführliche Darstellung: Bettighofer, 1998).

Übertragung: Frühere Erfahrungsmuster werden unbewusst auf aktuelle Beziehungen angewendet. Diese Übertragung kommt bei allen Beziehungen vor und wird in der therapeutischen Beziehung systematisch eingesetzt, indem sich der Analytiker als Übertragungsfläche zur Verfügung stellt, auf den der Patient frühere Beziehungspersonen oder auch eigene Persönlichkeitsanteile projiziert. Man spricht von positiver bzw. negativer Übertragung, je nachdem, ob es sich um angenehme oder unangenehme Gefühle handelt. Der Patient identifiziert den Analytiker z. B. mit einem Elternteil und kann die dadurch in der Therapie wieder erlebten Gefühle bearbeiten, statt die emotionale Spannung weiter zu verdrängen.

Gegenübertragung umfasst einerseits die Reaktion des Analytikers auf die Übertragung des Patienten, andererseits seine eigenen unausweichlichen Projektionen auf den Patienten. Für die Therapie ist es darum wichtig, dass er sich seiner Übertragung bewusst wird und nicht danach handelt, sondern die Haltung der Abstinenz wahrt. Er enthält sich also aller Gefühle und Verhaltensweisen, die ihn mit dem Patienten 'verwickeln' könnten. Doch schon Freud verstand Abstinenz nicht im Sinne von Neutralität. Dies ist besonders für die Therapie von Traumapatienten relevant, weil hier ein empathisches Begleiten unerlässlich ist.

 

Stufen der Begriffsbildung
Die Psychoanalyse hat sich über verschiedene Stufen der psychoanalytischen Begriffsbildung entwickelt (Fischer, 2005):

Die Grundstufe geht sozusagen naturwissenschaftlich vor, wobei sie die innerpsychischen Prozesse untersucht. Dieser Ausgangspunkt wurde mit zunehmender Reflexion in eine Beziehungsstufe verwandelt, auf der sich der Psychoanalytiker als Teil der Patient-Therapeut-Beziehung versteht. Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene gelten hier nicht mehr als Störvariablen wie auf der Grundstufe, sondern werden als sinnvoller und notwendiger Teil des Erkenntnisprozesses integriert.

 

Psychoanalytische Methode
Die therapeutische Beziehung – Übertragung und Gegenübertragung

In der therapeutischen Praxis der Psychoanalyse spielt die Beziehung von Patient und Therapeut eine zentrale Rolle. Psychoanalytiker arbeiten dabei gezielt mit Übertragungsphänomenen, anhand derer sich der Erkenntnisprozess beim Patienten vollziehen kann (vgl. für eine ausführliche Darstellung: Bettighofer, 1998).

Übertragung: Frühere Erfahrungsmuster werden unbewusst auf aktuelle Beziehungen angewendet. Diese Übertragung kommt bei allen Beziehungen vor und wird in der therapeutischen Beziehung systematisch eingesetzt, indem sich der Analytiker als Übertragungsfläche zur Verfügung stellt, auf den der Patient frühere Beziehungspersonen oder auch eigene Persönlichkeitsanteile projiziert. Man spricht von positiver bzw. negativer Übertragung, je nachdem, ob es sich um angenehme oder unangenehme Gefühle handelt. Der Patient identifiziert den Analytiker z. B. mit einem Elternteil und kann die dadurch in der Therapie wieder erlebten Gefühle bearbeiten, statt die emotionale Spannung weiter zu verdrängen.

Gegenübertragung umfasst einerseits die Reaktion des Analytikers auf die Übertragung des Patienten, andererseits seine eigenen unausweichlichen Projektionen auf den Patienten. Für die Therapie ist es darum wichtig, dass er sich seiner Übertragung bewusst wird und nicht danach handelt, sondern die Haltung der Abstinenz wahrt. Er enthält sich also aller Gefühle und Verhaltensweisen, die ihn mit dem Patienten „verwickeln“ könnten. Doch schon Freud verstand Abstinenz nicht im Sinne von Neutralität. Dies ist besonders für die Therapie von Traumapatienten relevant, weil hier ein empathisches Begleiten unerlässlich ist.

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